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Utopie versus Dystopie

| Michael Stratmann | Talentförderung

Nach guter alter Tradition darf der Gewinner des Talentwettbewerbs der St.-Ursula Schule Hannover seine Arbeitsergebnisse im Rotary Club Hannover-Leineschloss einem interessierten Publikum vorstellen. Sebastian Lippe hat den letztjährigen Talentwettbewerb der STRAMANN STIFTUNG gewonnen und stellt uns seine Seminarfacharbeit mit dem Titel „Utopie vs. Dystopie – Nichtorte menschlicher (Alb-)Träume“ vor.

Souverän wählt Sebastian Lippe einen witzigen Einstieg in seinen Vortrag mit dem Sinnfragen-Kombinator und blättert „zufällig“ die Frage auf: „Ist Zukunft tot?“, um sodann auf verschiedene Zukunfts-Szenarien, die sich als Utopie oder als Dystopie einordnen lassen, über zu leiten. Seine These lautet, dass Utopie und Dystopie zusammen als ein sich ausgleichendes System existieren können. Sie interagieren miteinander und machen dadurch Fortschritt möglich.

Eine Verabredung mit dem Zeitgeist

Zunächst wendet Sebastian Lippe sich der Utopie zu. Die Wortherkunft kann entweder „nicht-Ort“ aber auch „schöner Ort“ bedeuten. Beide Erklärungen sind gleichermaßen sinnvoll. Allerdings ist die Kreation einer Utopie auch immer im jeweiligen zeitlichen Kontext zu sehen, da die Moral- und Wertvorstellungen sowie die angestrebten Ideale der jeweiligen Zeit in die Ausgestaltung der Utopie einfließen. Platons Utopie beinhalteten beispielsweise noch Sklaven. 

Gemeinsamer Nenner einer jeden Utopie ist das Streben nach Perfektion. Darunter lassen sich zwei Arten der Utopie differenzieren: Die Staatsutopie und die technologische Utopie. Die frühen Utopien stellten überwiegend Staatsutopien dar. Häufig handelte es sich um in sich abgeschlossene Konstrukte, klassischerweise eine Insel, welche keine Entwicklung und äußeren Einflüsse erforderte. Die Abgeschlossenheit der klassischen Staatsutopien ist aber mit dem modernen Verständnis von Gesellschaft und Demokratie nicht mehr vereinbar.

Demgegenüber steht die technologische Utopie. Ein bekanntes Beispiel ist die Nova Atlantis von Francis Bacon aus dem Jahr 1627. Sie beinhaltet teilweise Vorhersagen, die heute Realität sind. Sebastian Lippe nennt Solarzellen und Hörgeräte als Beispiel, die aus der heutigen Realität gar nicht mehr wegzudenken sind.

Alles auf Endzeit?

Die utopische Literatur ist untergegangen. Die industrielle Revolution schuf ein neues Konzept, mithin die Dystopie. Hierbei handelt es sich um das Negativ der Utopie. Die Dystopie betrachtet die Gesellschaft wie sie ist und sieht ihre Probleme, sie parodiert und überspitzt sie. Die Dystopie beinhaltet also deutliche Realitätskritik.

Im Ergebnis hat die dystopische Literatur „gewonnen“. Was sagt das über uns aus? Sebastian Lippe beantwortet die Frage mit einem Zitat von Ágnes Heller: „Was ist das für eine Welt, in der wir leben, wenn die ernsthaftesten Darstellungen von dystopischen Satiren und Karikaturen gezeichnet werden?“ 

Anschließend entwickelt er eine Diskussion über die Zukunft und stellt sein Modell des Zusammenspiels von Utopie und Dystopie dar. Beide Systeme ergänzen sich wechselseitig und korrigieren einander. Die Abwägung von Bedenken und idealen führt zu einem gesunden Fortschritt. 

...to be continued.

  • Im Nachgespräch geht es nochmals um das Verhältnis von Utopie zu Dystopie. Das eine warnt vor dem anderen, beides kommt nicht zusammen, aber betrachtet dieselbe Gesellschaft.

  • Die Utopie trägt den Handlungsimpuls in sich, den Wunsch nach vorne zu blicken. Erforderlich ist aber auch eine kritische Auseinandersetzung mit neuen Ideen.

  • Die sogenannte „letzte Generation“ ist ein gutes Beispiel für den Austausch von Gegensätzen. Die Jüngeren preschen mit ihrer Kritik und ihren vor, die Älteren mahnen. Letztlich ist aber ein Zusammenwirken aller Generationen erforderlich, um die Zukunft sinnvoll zu gestalten.

  • In Deutschland herrscht ein grundlegend anderes Verständnis von Utopie und Dystopie als in den USA. Die US-Amerikaner haben generell die Vorstellung, dass alles besser wird und der „amerikanische Traum“ wahr wird. Deutsche hingegen kritisieren eher und sind tendenziell pessimistischer eingestellt. Hier sieht man einen erheblichen kulturellen Unterschied. Die Auswirkungen werden sich zeigen.