21 Mai2013
Ägypten im Jahr 1 nach der Revolution

Über Umwege erfuhr ich von der Möglichkeit, an Auslandsschulen in deutscher Sprache unterrichten zu können. Nach kurzer Recherche im Internet gelangte ich auf die Seite einer kleinen, noch im Aufbau befindlichen deutschen Schule in Hurghada direkt am Roten Meer, die überhaupt keinen naturwissenschaftlichen Unterricht anbot.
Die Arbeit mit Kindern ist eine neue Erfahrung für mich
Nach einer Initiativbewerbung wurde ich, die Biochemikerin, sofort für das kommende Schuljahr 2012/13 eingestellt und sollte Physik, Biologie, Chemie und Mathematik in den Klassenstufen 5-9 unterrichten. Nebenbei wurde ich noch Klassenlehrerin der 7. Klasse und sitze im Gremium für Schulausflüge, welches sich mit der Ausarbeitung der Satzung, der Planung und Durchführung von Exkursionen und Schulausflügen befasst. 
Die Arbeit mit den Kindern ist eine absolut neue Erfahrung für mich. Ich liebe jedes einzelne von ihnen, da sie noch erfrischend frei sind und direkt aus dem Herzen sprechen. Manchmal erwische ich mich abends im Coffee-Shop beim Gespräch mit anderen, wo ich tatsächlich über „meine Kinder“ rede.
Natürlich sind sie in der Gruppe richtige kleine Blutsauger. Vom ethnischen Hintergrund her sind sie deutsch-ägyptisch, russisch-ägyptisch oder einfach mal nur italienisch oder polnisch. Jungen dominieren in der Überzahl. Gepaart mit der arabischen Erziehung war es oft ein Drahtseilakt, die Brücken zu knüpfen. In zwei Klassen darf ich übrigens auch den Aufklärungsunterricht übernehmen.
Ägypter sind leidenschaftlich, gastfreundlich und duldsam
Durch die Gespräche mit den Kindern, Eltern und meinen Nachbarn habe ich Ägypten von einer ganz anderen Seite kennen- und liebengelernt. Es ist ein leidenschaftliches Land, in dem schon immer Gegensätze aufeinandergeprallt sind. Es ist ein demütiges Land, welches etwa 7000 Jahre Unterdrückung hinter sich hat und keiner weiß, wohin es eigentlich gerade gesteuert wird. Für viele ist es ein nie endendes Chaos, indem ich ein Stück Freiheit gefunden habe. Beeindruckt bin ich immer noch von der Freundlichkeit, Gastfreundschaft und Duldsamkeit widriger Lebensbedingungen. Die Alltagsproblematik, die sich jedem Menschen auf der Welt stellt, wird hier ganz anders akzeptiert und als Teil des Lebens verstanden. Dieses ebenso schroffe wie auch wunderschöne Land mit der fremden Kultur wird mich bestimmt noch Jahre nach meiner Rückkehr faszinieren.