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30 Jahre nach Tschernobyl

| Kay Bartelt | Talentförderung

Traditionell dürfen die besten Teilnehmer des Talentwettbewerbs an der St.-Ursula-Schule in Hannover ihre Projektergebnisse vorstellen. Preisträgerin Annalisa Engels folgte der Einladung des Rotary Club Hannover-Leineschloss und präsentierte am 21.10.19 ihre Untersuchungsergebnisse zur Strahlenbelastung in Schweden.

Das Reaktor-Unglück

Annalisa widmet sich zunächst den Geschehnissen von 1986. Sie schildert die Vorentwicklungen im Reaktor und die vielen Fehlentscheidungen, die ganz offensichtlich am 25. April dieses Jahres getroffen worden, so dass es schließlich am Folgetag zur allen bekannten Explosion und dem damit verbundenen fallout kam.

Die viel zu späte Entscheidung zum Löschen durch Stickstoff führte zu einer zu späten Kontrolle der Ereignisse. Eine zeitnah hinzukommende Ostwetterlage brachte dann noch die ungünstigen Voraussetzungen der Verbreitung in andere Länder, unter anderem auch im zentralen Schweden (wo Familie Engels traditionell Urlaub macht).

Die zunächst als Provisorium gedachte Ummantelung des Reaktors, die im Herbst 1986 erfolgte, sollte dann doch für die nächsten 100 Jahre vorhalten. Im Katastrophenjahr und den direkten Folgejahren kam es im Zuge der Reaktorkatastrophe zu Flugmessungen der Radioaktivität im betroffenen Zentralschweden.

Untersuchungsmethode und Ergebnisse

Unsere Referentin fragte sich im Vorfeld ihrer im Urlaub angestellten Untersuchungen, ob sich nach über 30 Jahren – also der theoretischen Halbwertszeit von Caesium 137 – im Boden noch eine Kontamination nachweisen läßt.

Hierzu nahm sie Proben, die sie anschließend trocknete und mit Geigerzähler untersuchte. Deren Ergebnisauswertung stellt sie nachfolgend vor. Das Hauptproblem der nicht direkten Vergleichbarkeit der Kurven löst sie durch ein Standardabweichungsverfahren unter Einsatz von Mittelwertsermittlungen und einer empirischen Kalibrierung.

Die daraus resultierende, finale Vergleichbarkeit führte zur Bestätigung, dass noch bis heute eine leichte radioaktive Kontamination nachweisbar ist, und dass diese aufgrund der Wasserlöslichkeit des Cäsiums vermehrt in Bodensenken, in tieferen Schichten und oberhalb von wasserstauenden, lehmigen (= tonmineralhaltigen) Schichten zu verzeichnen ist.

Auch ein Folgeprojekt hat die junge Referentin bereits vorzuweisen, welches die teils vierfach höhere Strahlenbelastung mit einem verbesserten Messkonzept dokumentieren soll, was ihr neues Projektziel für "Jugend forscht" 2020 ist.

Annalisa Engels beendet ihren spannenden und engagierten Vortrag, der sowohl sprachlich als auch von der Gliederung her sehr gelungen ist, was zu einem verdienten, lauten und langen Applaus führt.

Fragen und Antworten

In der anschließenden Diskussion erkundigt sich Präsident Kösters nach der Gesundheitsgefährdung des Menschen und der Wasserlöslichkeit. Die Referentin antwortet mit dem Hinweis darauf, daß dies in der schwedischen Presse immer noch thematisiert wird (z. B. Kontamination von Wildschweinfleisch), obwohl es eigentlich keine akute Gefährdung mehr darstellt.

Freund Brandt möchte wissen, ob sich unsere Vortragende bei der Probennahme irgendwie schützen musste und ob die vor 30 Jahren verbreitete Pilzwarnung noch gilt. Annalisa Engels gibt an, dass keine besseren Schutzmaßnahmen nötig waren, aber auch diese Schutzthematik in Schweden durchaus noch Thema ist und dass beispielsweise Rentierfleisch erst seit 2004 als unbedenklich eingestuft ist.

Freund Holtmann interessiert die Vorgehensweise von Annalisa Engels vor Ort, ob sie beispielsweise gezielt in Senken gesucht hätte. Sie gibt darauf an, dass sich diese Ergebnisse erst später herausgestellt hätten; bei der Erstbeprobung hätte sie eher auf die Orte selbst geachtet und auf eine genaue Probennahme.

Freund Mlynek möchte erkunden, ob es gesundheitliche Auswirkungen gegeben hat, die bekannt geworden sind; darauf vermag Annalisa Engels nicht genau zu antworten, da ihr dies nicht bekannt ist; sie verweist jedoch auf dezidierte, separate Verzehrhinweise ("keine Beeren"), die in der am meisten betroffenen Zone teils immer noch Gültigkeit hätten.

Freund Stratmann möchte wissen, ob die Katastrophenabläufe sich so auch in einem heutigen Werk nochmals abspielen könnten. Annalisa Engels verneint dies, da der damalige Reaktortyp nicht mehr existiert.

Freund Hübl und direkt danach Freund Werren zielen auf die Zahl der Proben und ihre Repräsentativität ab, was von Annalisa Engels mit "27" und mit dem Hinweis auf zukünftig zahlreichere Proben beantwortet wird (mindestens 50). Ihr erster Ansatz war sozusagen ein Test-Start.

Freund Rethel ergänzt, dass der Reaktor von Tschernobyl nicht der Wärmeerzeugung diente, sondern der Plutonium-Herstellung – was wurde aus diesem? Unsere junge Referentin konnte darüber allerdings (noch) keine Angaben machen, da sie sich derzeit nur mit leichtflüchtigen Stoffen auseinandersetzt.

Freundin Ibrügger merkt besorgt an, dass in einer jüngst ausgestrahlten Fernsehdokumentation davon die Rede war, dass direkt im Reaktorbereich auch heute noch praktisch die gleichen Strahlungswerte gemessen werden können. Freund Kindsvater regt an, auch Holzproben zu nehmen. Annalisa Engels würde sich ebenfalls sehr für letzteren Ansatz aussprechen, da er die Wasseraufnahme über die Wurzeln widerspiegeln würde.

Freund Schwarz erläutert am Schluss noch die besondere Gefährlichkeit des Cäsiums: Da es sich um einen Kalium-Antagonisten handelt, kann es anstelle des Letztgenannten direkt im Körper eingebaut werden, zum Beispiel imMuskelgewebe, und dort noch über eine lange Zeit von innen her weiter strahlen.

Präsident Kösters bedankt sich sehr herzlich im Namen des gesamten Clubs bei Annalisa Engels und wünscht ihr vollen Erfolg bei der nächsten Untersuchung und ihrer Teilnahme bei "Jugend forscht".