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Rami liebt blau

| Kay Bartelt | Soziale Verantwortung

Rami 02Zielstrebig bahnt sich der kleine Mann den Weg vorbei an den großen Rädern. Sein Auge fixiert das hellblaue Gefährt in der Kinderabteilung. Er legt seine Hand auf das hochwertige Modell "B-100" von Browser. Seine Augen leuchten. 20 Zoll, drei Gänge, Ypsilon-Rahmen - Rami weiß was er will.

Nach ein paar Proberunden im Geschäft und einem Kurzcheck durch die Techniker stehen wir an der Kasse. Und packen auch ein dickes Schloss auf die Ladentheke. Das Fahrrad soll lange im Familienbesitz bleiben. In ein paar Jahren erbt es der jüngere Bruder.

Wir hatten uns auf ein langes Auswahlverfahren eingestellt und den ganzen Nachmittag freigehalten. Aber nach 30 Minuten ist alles beschickt. B.O.C. in Laatzen bietet sogar zehn Prozent Flüchtlingsrabatt auf alle Bikes - nochmal ein kleines Willkommensgeschenk vom Händler. Das passt.

Aus dem Norden Iraks

Zur Familie Kalo gehören aktuell vier Personen. Bald sind es fünf. Mama Kalo ist im achten Monat schwanger. Die Geburt naht. Rami ist sechs Jahre alt, sein Bruder Kajal ist drei. Zusammen mit ihren Eltern leben sie seit Dezember 2015 in Deutschland. Alle teilen sich ein kleines Zimmer im Gebäude des Sozialamtes Laatzen.

Die Aussicht, drei kleine Kinder in einem Kriegsgebiet groß zu ziehen, nährt die Hoffnung, dass es überall besser ist als in der zerstörten Heimat. Drum gehen sie fort und kehren vermutlich nie mehr zurück. Nach Hause, in den Norden Iraks, in ihr kleines Gebirgsdorf Shingal 130 km westlich von Mossul. Es liegt in unmittelbarer Grenzlage zu Syrien.

Zur Einschulung ein paar Geschenke

Rami 03Da die Familie in Deutschland zunächst das Nötigste an Möbeln und Kleidung kauft, ist für die Schulsachen kein Geld mehr da. Aber Hilfe kommt von Ganz Unten e.V.. Zur Einschulung spendiert der Verein dem Erstklässler Hefte, Schreibmaterial und einen schönen Schulranzen. Alles in Fußball-Optik. Coole Sache.

Rami besucht die Klasse 1b der Grundschule Im Langen Felde in Laatzen. Immer mittwochs nimmt er an einem gesonderten Förderunterricht im Fach Deutsch teil. Seit letzter Woche wird er zusätzlich von einer Wohnzimmerlehrerin der Nina-Dieckmann-Stiftung gefördert. Montags und donnerstags trifft er sich um die Mittagszeit mit Frau Freund in der Schulbücherei.

Fürs Erste ist alles getan um einen guten Schulstart hinzulegen. Alles ist besser als Krieg. Mama und Papa Kalo sind heilfroh hier zu sein und können ihr Glück nur schwer fassen. Immer wieder kullern Tränen über das Gesicht der werdenden Mutter, wenn sie sich über die Hilfsbereitschaft freut. Ihr nächstes Kind wird von alledem nur Geschichten hören. Denn es wird hoffentlich nur den Frieden kennenlernen.