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„Es ist unfassbar traurig“

| Interview mit Ole Knuth | Soziale Verantwortung

Der Krieg in der Ukraine hat das Leben der Menschen dort für immer verändert. Nichts ist mehr so, wie es war. Das gilt auch für Ole Knuth, seine Freunde und das Projekt der Hilfslieferungen nach Sosnivka. Schlagartig änderte sich das Leben des spontan hilfsbereiten Freundeskreises aus Gehrden. Unsere Stiftung hat das Projekt unterstützt und sich bei Ole nach dem aktuellen Stand erkundigt.

Über eure Hilfsaktionen für die Ukraine wurde im letzten Jahr berichtet. Konntet ihr die Lieferungen weiterhin fortsetzen?

Ja, unsere Lieferungen haben im letzten Jahr am 7. März begonnen und wir sind inzwischen 25 Transporte gefahren. Schon bei unserer ersten Fahrt zur ukrainischen Grenze brachten wir einige geflüchtete Frauen und Kinder mit zurück. Sie betreuen wir bis heute und es sind sehr enge Kontakte entstanden.

Unser Umschlags- und Versorgungsplatz ist das Gebäude des Vereins des „Eco Mercy Sosnivka“ in der Ukraine. Das Dorf mit ca. 6.000 Einwohnern befindet sich in der Nähe von Lwiw, unweit der polnischen Grenze. Gründer des Vereins ist Pavlo Savcuk, der ehemalige Bürgermeister des Ortes, wo früher Kohleabbau betrieben wurde.

Durch die Luftverschmutzungen sind viele Jugendliche krank geworden und Pavlo hatte es sich damals zur Aufgabe gemacht, Projekte mit diesen Jugendlichen durchzuführen, um ihnen wieder Lebensfreude zu vermitteln. Er lehrt sie beispielsweise Fahrrad fahren und reparieren und unternimmt Ausflüge mit ihnen, teilweise auch ins Ausland.

Seit Kriegsbeginn ist das Vereinshaus Anlaufstelle für Geflüchtete geworden, ein Shelter. Im Gebäude von Eco Mercy sind einige Zimmer von Flüchtlingen bezogen worden und in der Küche wird rund um die Uhr gekocht. Für den Küchenbetrieb liefern wir alle zwei Wochen Nahrungsmittel. Das ist leider bloß ein kleiner Teil dessen, was dort benötigt wird, aber immerhin.

Was brauchen die Menschen vor Ort dringend?

Klamotten und Ausrüstung. Wir haben uns zusammen mit fleißigen Menschen wie Pavlo, seiner Frau Maria und Piotr überlegt, dort einen besser ausgerüsteten Punkt zu schaffen, wo die Leute eine Verschnaufpause einlegen und ein paar Tage bleiben können. Wo sie auch nur mal zum Duschen oder zum Essen kommen können.

Wir haben mit unseren Lieferungen zur Ausstattung des Hauses beigetragen und beispielsweise Fliesen, Duschwannen und Boiler geliefert, so dass drei Badezimmer gebaut werden konnten. Geliefert wurden ebenfalls Kühlschränke und ein Holzvergaserkessel sowie dringend benötigte Werkzeuge, wie Schweißgeräte oder Plasmaschneider. Piotr hat damit im Winter 600 Öfen für Soldaten an der Front aus alten Gasflaschen hergestellt.

Die im Shelter nicht benötigten Materialien gehen an die Soldaten an der Front und werden in 24h in den Osten des Landes, u.a. direkt nach Bachmut und Kreminna gefahren. Pavlo und sein Team bringen Kleidung und Nahrungsmittel nicht nur für die Soldaten, sondern auch für die noch dort lebenden obdachlosen Menschen.

Und natürlich haben wir auch die Kinder dort im Blick. Mal kaufen wir ein Fahrrad zum Geburtstag und mal organisieren wir Spielzeuge. Zu Weihnachten verteilten wir 120 Pakete an die an Flüchtlingskinder, die die Frauen aus den umliegenden Dörfern schön verpackt hatten.

Der Krieg hat auch euer Leben verändert. Wie geht ihr damit um?

Bei den Transporten sind hin und zurück ca. 3.000 km zu fahren. Wir schlafen ein oder zwei Nächte im Hotel während der langen Fahrt, damit wir nicht übermüdet dort ankommen. Unserem Team ist es sehr wichtig, dass wir den Menschen vor Ort die Möglichkeit geben, ihre Sachen selbst in die Hand zu nehmen. Wir wollen, dass sie handlungsfähiger sind.

Es hilft nicht nachhaltig, wenn man nur einmal hinfährt und dann nie wieder. Man muss Konstanz in die Unterstützung bringen. Die Leute müssen wissen, dass sie sich auf uns verlassen können. Wir sagen aber auch, dass wir nicht wissen, wie lange das alles noch geht. Wir wären aber auch ohne Hilfslieferungen jederzeit willkommen, da sich aus dieser Not richtige Freundschaften entwickelt haben.

Die Leute dort haben ihr Leben umstellen müssen und arbeiten nun fürs Überleben und dafür, dass ihr Land nicht untergeht. Ich persönlich habe das letzte Jahr nur daran gedacht und im Prinzip dafür gelebt. Das ging an die Substanz. Aber im Vergleich mit den Einheimischen, die dort im Dauerstress sind, ist das nichts.

Es ist unfassbar traurig, die Geschichten der Einheimischen hautnah mitzuerleben. Wir wollen den Menschen zeigen, dass sie und ihr Schicksal uns nicht egal sind. Da habe ich dann auch keine Mühe diesen Lebenswillen nach Kräften zu unterstützen. Die berührenden Nachrichten voller Dank und Herzlichkeit zeigen, dass wir wenigstens ein bisschen helfen konnten.

Wie geht es weiter in diesem Jahr?

Momentan ist die Spendenbereitschaft deutlich eingeknickt. In Familie, Freundeskreis und Bekanntschaft haben im letzten Jahr alle ihr Maximum gegeben. Wir möchten gerne weitermachen und tun dies auch. Deshalb gibt es nun mehrere Organisatoren und mehrere Fahrer, die mich unterstützen.

Alles was wir einnehmen, wird für die Materialien in der Ukraine oder den Transport der Güter dorthin verwendet. In unserer Gruppe arbeiten alle ehrenamtlich so 10 bis 15 Stunden zusätzlich pro Woche neben dem Hauptjob. Wir haben durch die vielen Touren und die Betreuung der Flüchtlinge hierzulande einen tiefen Einblick in die Arbeit vor Ort in der Ukraine und die Bürokratie deutscher Ämter bekommen. Dieser „lange Arm“ beflügelt uns immer weiter zu machen.

In diesem Zusammenhang möchte ich mich beim Rotary Club Hannover-Leineschloss und der STRATMANN STIFTUNG für ihre Förderungen bedanken, insbesondere das Sponsoring von Tablets, Schulmaterialien und Sportgeräten für die Kinder und Jugendlichen in der Ukraine und in Gehrden. Es geht nur gemeinsam und wir dürfen die Menschen vor Ort nicht allein lassen.

Vielen Dank für das Gespräch!